ASCII Skript bis Weihnachten
skriptbisweihnachten.txt
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1 Folgen und Reihen =================== 1.1 Grenzwert einer Folge ------------------------- lim 1/n = 0 n->oo lim 1/(n+1) = 0 n->oo lim n/(n+1) = lim (n+1-1)/(n+1) = lim 1 - 1/(n+1) = 1 n->oo n->oo n->oo lim n / 2^n = 0 n->oo Formal: Eine Folge (a_n)_n ist eine Funktion NN->RR, also fuer jedes n:NN eine reelle Zahl a_n. Man schreibt lim a_n = a, n->oo falls fuer jedes epsilon>0 ein N:NN existiert, so dass |a_n - a| <= epsilon fuer alle n>N. "Fuer genuegend grosses n kommen die Folgenglieder dem Grenzwert beliebig nahe.". Man sagt, a sei der Grenzwert oder Limes der Folge (a_n)_n. Wir beweisen, dass lim 1/n = 0: n->oo Sei epsilon>0 vorgegeben. Waehle N so, dass epsilon > 1/N Dann ist |1/n| < 1/N < epsilon fuer alle n>N. Wir beweisen, dass lim n/2^n = 0 n->oo Fuer n>3 ist n^2 <= 2^n. (gilt fuer n=4. Falls fuer festes n gueltig, dann auch fuer n+1: (n+1)^2 = n^2+2n+1 <= 2^n+2n+1 <= 2^n + 2^n = 2^(n+1)). Sei jetzt epsilon>0 vorgegeben. Waehle N so dass 1/N<epsilon und N>3. Wenn n>N, dann ist n/2^n <= n/ n^2 = 1/n < epsilon. Alternativ: 0 <= lim n/2^n <= lim n/n^2 = 0 n->oo n->oo Achtung: Ein Grenzwert muss nicht existieren, z.B. lim (-1)^n existiert nicht n->oo lim n existiert auch nicht, aber man kann schreiben lim n = oo n->oo n->oo und sagt, die Folge (a_n)_n mit a_n=n divergiert bestimmt gegen oo. Hingegen divergiert die Folge ((-1)^n)_n unbestimmt, wie man sagt. Grenzwerte vertauschen mit den Grundrechenarten und anderen Operationen, so gilt zum Beispiel lim 1+1/n = 1 und lim 2^(1/n) = 2^0 = 1. n->oo n->oo 1.2 Summen ---------- Ist (a_k)_k eine Folge und n,N : NN, so definiert man N __ > a_k := a_n + a_(n+1) + ... + a_N -- k=n meistens ist n=0 oder n=1. Wir schreiben auch sum(a_k,k=n..N). Natuerlich koennen die Indizes (also k) auch anders heissen. sum(k,k=n..n) = a_n sum(k,k=n..N) = 0 für n > N nach Konvention Es gilt: sum(k,k=1..n) = 1 + 2 + 3 + ... + n = n*(n+1) / 2 sum(q^k,k=0..n) = (q^(n+1) - 1) / (q - 1) sum(k^2,k=1..n) = 1/6*n(n+1)(2n+1) Nicht immer kann man eine "geschlossene Form" finden, z.B. laesst sich sum(1/k, k=1..n) nicht wesentlich vereinfachen, sondern man definier H_N als n-te harmonische Zahl 1.3 Teleskopsummen ------------------ Ist (a_n)_n eine Folge, und gilt b_n = a_n - a_(n-1) fuer n>0, so folgt sum(b_n,n=1..N) = a_1 - a_0 + a_2 - a_1 + a_3 - a_2 + ... + a_N - a_(N-1) = a_N - a_0. Solch eine Summe heisst Teleskopsumme. Man kann damit interessante Summenformeln herleiten: n^3 - (n-1)^3 = 3n^2-3n+1 (binomische Formel) Also gilt: sum(3k^2-3k+1,k=1..n) = n^3 Es folgt sum(3k^2-3k,k=1..n) = n^3 - n sum(3k^2,k=1..n) = n^3 - n - 3/2 n(n+1) sum(k^2,k=1..n) = 1/3(n^3 - n - 3/2 n(n+1)) = 1/6*n(n+1)(2n+1) Weiteres Beispiel: q^n-q^(n-1) = q^(n-1)*(q-1). Also gilt: sum(q^(k-1)*(q-1),k=1..n) = q^n - 1 Es folgt sum(q^(k-1),k=1..n) = (q^n-1)/(q-1) sum(q^k,k=0..n-1) = (q^n-1)/(q-1) /* Umbenennung der Laufvariablen */ sum(q^k,k=0..n) = (q^n-1)/(q-1) + q^n = (q^(n+1) - 1) / (q - 1) Und noch ein Beispiel: 1/(k*(k+1)) = 1/k - 1/(k+1) /* a_k = - 1/(k+1) */ Also ist sum(1/(k*(k+1)),k=1..n) = 1 - 1/(k+1) 1.4 Reihen ---------- Ist (a_k)_k eine Folge, so definiert man oo n __ __ > a_k := lim > a_k -- n->oo-- k=n k=n und schreibt wie immer auch sum(a_k,k=n..oo). Ein Ausdruck dieser Form heisst Reihe. Wie jeder Grenzwert kann solch eine Reihe auch (bestimmt oder unbestimmt divergieren). Beispiele: sum(q^n,n=0..oo) = 1/(1-q), falls |q| < 1 (q kann auch negativ sein) sum(q^n,n=0..oo) = oo (bestimmte Divergenz), falls q >= 1 sum(q^n,n=0..oo) divergiert unbestimmt, wenn q <= -1 Illustration: 1 + 1/2 + 1/4 + 1/8 + ... = 2 /* q = 1/2 */ 1 + 1 + 1 + 1 +... = oo /* q = 1 */ 1 - 1/2 + 1/4 - 1/8 + 1/16 + ... = 2/3 /* q = -1/2 */ 1 - 1 + 1 - 1 + 1 - 1 + ... divergiert unbestimmt Weitere Beispiele: Dezimalbrueche: 3,14159 ... = 3 + 1*1/10 + 4*1/100 + ... sum(d_k*10^(-k),k=0..oo) = x, falls d_k die k-te Dezimalstelle von x:[0,10] ist. sum(1/k,k=1..oo) = oo (Harmonische Reihe) sum(1/k*(k+1),k=1..oo) = 1 /* Partialsummen bilden Teleskope */ Eine Reihe sum(a_k,k=n..oo) konvergiert absolut, wenn auch die Reihe sum(|a_k|,k=n..oo) konvergiert. Wenn eine Reihe absolut konvergiert, so duerfen ihre Glieder umgeordnet werden. Konvergiert eine Reihe zwar, aber nicht absolut, so kann sich durch Umordnung der Glieder der Grenzwert veraendern, die Umordnung ist also hier im allgemeinen unzulaessig. Beispiel: sum((-1)^(n+1) * 1/n,n=1..oo) = 1 - 1/2 + 1/3 - 1/4 + ... konvergiert (s.u.) aber die Konvergenz ist nicht absolut, denn sum(1/n,n=1..oo) divergiert. Durch Umordnung kann ein beliebiger anderer Grenzwert erreicht werden, z.B. 47: Nimm erst so viele positive Reihenglieder bis man etwas ueber 47 liegt, dann wieder soviele negative, bis man etwas drunterliegt und so weiter. 1.5 Konvergenzkriterien fuer Reihen ----------------------------------- Majorantenkriterium: Sei sum(c_k,k=n..oo) eine konvergente Reihe mit lauter nichtnegativen Gliedern und gilt |a_k| <= c_k, so konvergiert auch sum(a_k,k=n..oo) absolut. Beispielanwendung: 1/k^2 <= 2/k*(k+1), also konvergiert die Reihe sum(1/k^2,k=1..oo) absolut. Den Wert der Reihe kann man so aber nicht bestimmen, man weiss nur, *dass* es ihn gibt. Zur Information: Es ist sum(1/k^2,k=1..oo)=pi^2/6. Quotientenkriterium: Sei sum(a_k,k=n..oo) eine Reihe und 0 <= q < 1 eine Zahl, sodass gilt: |a_(k+1)/a_k| <= q fuer alle k bis auf endlich viele Ausnahmen am Anfang ("fast ueberall"). Dann konvergiert die Reihe absolut. /* Das Quotientenkriterium ergibt sich aus dem Majorantenkriterium mit der geometrischen Reihe als Majorante */ Beispiel: sum(1/k!,k=1..oo). Es ist k! / (k+1)! = 1/(k+1) <= 1/2 fuer k>0, also konvergiert die Reihe. /* Der Grenzwert ist e=2.71828... */ NB k! = 1*2*3*4*...*k ("k Fakultaet"). Ebenso konvergiert sum(x^k/k!,k=1..oo) absolut fuer alle x:RR. Der Grenzwert ist e^x. ("Exponentialreihe"). Bemerkung: Man kann unmittelbar aus dieser Reihendarstellung beweisen, dass e^(x+y) = e^x*e^y etc. NR: Hier ist |a_(k+1)/a_k| = |x/(k+1)| < .99 fuer k gross genug. Erste paar Reihenglieder extra behandeln. Leibnizsches Kriterium: Seien a_k >= 0 und a_k >= a_(k+1) (Folge faellt monoton) und lim(a_k,k->oo) = 0 (Nullfolge). Dann konvergiert die Reihe sum((-1)^k*a_k,k=n..oo). Beispiel: Die Reihe sum((-1)^(k+1)*1/k,k=1..oo) konvergiert. Ueber den Grenzwert macht das Kriterium wie immer keine Aussage. Hier ist er ln(2). Weitere Kriterien: Cauchy-Kriterium, Wurzelkriterium. 2. Stetige Funktionen ===================== 2.1 Funktionsbegriff: --------------------- Eine Funktion f:RR->RR ordnet jeder Zahl x:RR eine Zahl f(x):RR zu. Der Graph der Funktion ist die Menge der Paare {(x,f(x)) | x:RR}. Zeichnet man den Graphen in ein Koordinatensystem, so befindet sich ueber jedem x-Wert genau ein y-Wert (y=f(x)). Beispiele: * Identische Funktion id(x)=x. Graph: um 45-Grad geneigte Ursprungsgerade. * Betragsfunktion abs(x)=|x|. Graph: Zwei symmetrische Halbgeraden, die sich im Ursprung beruehren. * Quadratfunktion sq(x)=x^2. Graph: Normalparabel. * Sinusfunktion, Exponentialfunktion, * Stueckweise definierte Funktionen: / x^2, falls x>10 | f(x) = < 2, falls x=10 | \ -x^2, sonst * Die floor-Funktion: floor(x) = groesste ganze Zahl <=x. Es gibt auch Funktionen, die nicht an allen Argumenten x:RR definiert sind. Sind D,W Teilmengen von RR so schreibt man f:D->W, wenn f jedem x:D einen Wert y=f(x) in W zuordnet. D heisst Definitionsmenge / -bereich von f und W Wertemenge / -bereich. Beispiele: * f(x) = 1/x. Hier z.B. D = RR \ {0}, W = RR \ {0}. Graph: Hyperbel. * f(x) = sqrt(x) (Wurzel). Hier z.B. D = RR^+_0. * f(x) = ln(x) (Logarithmus). Hier z.B. D = RR^+ * Jede Folge ist eine Funktion mit Definitionsbereich NN In der Regel ruehrt D =/= RR daher, dass der Funktionsterm nicht sinnvoll ausserhalb von D definiert werden kann, aber man kann den Definitionsbereich auch willkuerlich einschraenken. * D = RR^+_0 \ {47} und f:D -> RR und f(x) = x, fuer x:D. Funktionen gibt es auch mit Definitions- und Wertebereichen, die nicht Teilmengen von R sind, so gibt es zweistellige Funktionen mit Definitionsbereich RR x RR oder einer Teilmenge davon, oder auf Modulo-Zahlen definierte Funktionen. Definitions- und Wertebereich koennen auch ganz andere Mengen sein, wie die aller Teilmengen von NN, aller Listen von natuerlichen Zahlen, aller Folgen, aller TeilnehmerInnen dieser Veranstaltung... Im folgenden sind aber, wenn nichts anderes gesagt ist, Funktionen immer auf einer Teilmenge der reellen Zahlen definiert und liefern reelle Zahlen zurueck. 2.2 Monotonie und Umkehrfunktion -------------------------------- Eine Funktion f ist monoton steigend, wenn aus x<y folgt f(x)<=f(y). Sie ist monoton fallend, wenn aus x<y folgt f(x)>=f(y). Sie ist streng monoton steigend, wenn aus x<y folgt f(x)<f(x), analog definiert man streng monoton fallend. Die Funktionen x^2 , sqrt(x), ln(x), floor(x) sind monoton steigend, die ersten drei sogar streng. NB: Strenggenommen muesste man schreiben, die Funktionen sq, sqrt, floor, wobei sq(x)=x^2, etc sind ... Der Ausdruck x^2 ist naemlich eigentlich keine Funktion, sondern ein Term. Es hat sich aber eingebuergert, ueber diese Ungenauigkeit wegen der besseren Lesbarkeit hinwegzugehen. Die Funktion 1/x eingeschraenkt auf RR^+ ist streng monoton fallend. Der Graph einer streng monoton steigenden Funktion steigt von links nach rechts gelesen an. Der Graph einer monoton steigenden Funktion darf auch streckenweise liegenbleiben. Ist eine Funktion f:D->W streng monoton steigend, oder streng monoton fallend, und ist W so klein gewaehlt, dass tatsaechlich jedes Element von W auch als Funktionswert auftritt, so gibt es eine eindeutig bestimmte Funktion g:W->D, die f umkehrt, sodass also gilt g(f(x)) = x. Man nennt g die Umkehrfunktion von f. Beispiel f(x)=x^2 D=RR^+_0, W=RR^+_0. g(x)=sqrt(x). Achtung: Nimmt man D=RR, so ist f nicht monoton. Die Umkehrfunktion g ist eindeutig bestimmt und jeweils auch streng monoton steigend oder fallend. Ausserdem ist f die Umkehrfunktion von g. Man schreibt ueblicherweise f^(-1) fuer die Umkehrfunktion. Man erhaelt den Graphen der Umkehrfunktion aus dem Graphen von f durch Spiegelung an der 45 Grad steilen Ursprungsgeraden. 2.3 Grenzwerte von Funktionen ----------------------------- Ist f:D->W eine Funktion und a:RR ein Punkt, der zwar nicht in D liegen muss, aber doch D beliebig nahe kommt (formal: fuer jedes epsilon>0 existiert a':D mit |a-a'|<=epsilon "Beruehrpunkt"). Man schreibt dann lim f(x) = b x->a falls fuer jede Folge (x_n)_n mit x_n : D \ {a} und lim x_n = a gilt lim f(x_n) = b. n->oo n->oo Die Funktionswerte f(x_n) streben also gegen b, sofern die Argumentfolge (x_n)_n gegen a strebt. Man betrachtet auch den Fall, wo a=oo oder a=-oo ist. Hier muss der Definitionsbereich beliebig grosse, bzw beliebig kleine Elemente enthalten (a=oo: fuer alle N:RR existiert a':D mit a'>=N. Und a=-oo: fuer alle N:RR existiert a':D mit a'<=N) Beispiele: lim x^2+7 = a^2+7 und Analoges gilt fuer beliebige Polynome x->a lim 1/x = 0 x->oo lim x^2+7 = oo /* analog zur bestimmten Divergenz von Folgen */ x->oo lim (x-1)/(x^2-1) = lim 1/(x+1) = 1/2 x->1 x->1 Grenzwerte muessen nicht existieren, z.B. lim 1/x oder lim sin(1/x) x->0 x->0 Manchmal schraenkt man bei der Limesbildung die Funktion auf Werte >a oder <a ein. Man naehert sich also dem Punkt von oben oder unten. Dafuer schreibt man dann lim f(x) /* Annaeherung von oben */ x->a+ lim f(x) /* Annaeherung von unten */ x->a- Es gilt z.B. lim floor(x) = 1 aber lim floor(x) = 0 und lim floor(x) existiert nicht. x->1+ x->1- x->1 lim 1/x = oo und lim 1/x = -oo x->0+ x->0- Bemerkung: Ist lim f(x)=b, so folgt lim f(x) = lim f(x) = b x->a x->a+ x->a- Gilt lim f(x) = lim f(x) = b, so ist lim f(x) = b x->a+ x->a- x->a 2.4 Stetigkeit von Funktionen ----------------------------- Eine Funktion f:D->W ist im Punkt a:D stetig, wenn lim f(x) = f(a). x->a Beispiele: f(x)=x^2 ist ueberall stetig. Die floor Funktion ist an allen nicht-ganzzahligen Punkten stetig. Die Betragsfunktion ist ueberall stetig. Die Funktionen sin, cos, tan, exp, ln, sind ueberall (in ihrem Definitionsbereich!) stetig. Stetigkeitssaetze: Sind f,g an einem Punkt a stetig, so auch f+g, f*g, f/g /* wenn g(a)=/=0*/, f o g, also die Funktion h mit h(x)=f(g(x)), ... Bemerkung (epsilon-delta Charakterisierung der Stetigkeit) f:D->W ist im Punkt a:D genau dann stetig, wenn fuer jedes epsilon>0 ein delta>0 existiert, sodass fuer alle x mit |x-a|<=delta gilt |f(x)-f(a)|<=epsilon. Fuer jede geforderte Genauigkeit epsilon gibt es eine Umgebung von a, innerhalb derer alle Funktionswerte hoechstens epsilon von f(a) abweichen. 3. Exponentialfunktion und Logarithmus ====================================== Die Exponentialfunktion exp(x)=e^x ist streng monoton steigend und ueberall >0. Die Logarithmusfunktion ln(x) ist ihre Umkehrfunktion und ebenfalls streng monoton steigend, aber nur fuer positive Zahlen definiert. NB: Wir setzen hier voraus, dass die e-Funktion exp(x)=e^x aus der Schule bekannt ist. Moechte man sie rigoros definieren, so bietet sich die bereits erwaehnte Exponentialreihe an: exp(x):=sum(x^n/n!,n=0..oo). 3.1 Potenz- und Logarithmusgesetze ---------------------------------- Es gelten die folgenden Potenzgesetze a^(u+v) = a^u*a^v a^(u-v) = a^u/a^v a^(uv) = (a^u)^v a^(u/v) = a^u^{1/v} a^0 = 1 Zur Erinnerung: a^n = a*...*a (n Faktoren), wenn n:NN a^(-n) = 1 / a^n a^{p/q} = q-te Wurzel aus a^p Aus den Potenzgesetzen ergeben sich die Rechenregeln fuer Logarithmen: ln(xy) = ln(x)+ln(y) ln(x/y) = ln(x)-ln(y) ln(x^y) = y*ln(x) ln(1) = 0 Ausserdem gilt: a^u = exp(ln(a^u)) = exp(u*ln(a)). Formal nimmt man dies als *Definition* der allgemeinen Potenz. Es gibt auch Logarithmen zu anderen Basen als e: log_a ist die Umkehrfunktion zu a^x und es gilt: log_a(x) = ln(x) / ln(a). 3.2 Grenzwerte mit exp und ln ----------------------------- lim exp(x)/x^n = oo x->oo Die Exponentialfunktion waechst mit x->oo staerker als jede Potenz. Anschaulicher Beweis: exp(x) = sum(1/k!*x^k,k=0..oo) >= 1/(n+1)! x^(n+1), aber lim 1/(n+1)!*x^(n+1)/x^n = oo x->oo lim ln(x)/x^n = 0 x->oo Der Logarithmus waechst langsamer als jede Potenz. Anschaulicher Beweis: lim ln(x)/x^n = lim ln(exp(y))/exp(y)^n = lim y/exp(ny) = 0 x->oo y->oo y->oo Bemerkung: das gilt auch fuer n ersetzt durch irgendein alpha>0, z.B. alpha=1/2. lim (exp(x)-1) / x = 0 x->0 Anschaulicher Beweis: Fuer x->0 ist exp(x) < 1+x+x^2 (Exponentialreihe), aber lim x^2/x = 0 x->0 lim x*ln(x) = lim exp(-y)*ln(exp(-y)) = - lim y/exp(y) = 0 x->0+ y->oo y->oo 3.3 Die Landau-Symbole ---------------------- Man schreibt auch exp(x) = 1+x+O(x^2) fuer x->0 wobei O(x^2) eine Funktion bezeichnet, die höchstens so stark waechst (hier fuer x->0) wie ein festes Vielfaches von x^2. Das *Landau-Symbol* O(f(x)) bezeichnet, bzgl eines bestimmten Grenzuebergangs x->a, eine beliebige Funktion g mit |g(x)| <=c*|f(x)| fuer ein festes c>0 und x->a. Man schreibt auch ln(x) = o(x^n) fuer x->oo zum Zeichen, dass ln(x) schwaecher waechst als jede Potenz von x. Das *Landau-Symbol* o(f(x)) bezeichnet, bzgl eines bestimmten Grenzuebergangs x->a, eine beliebige Funktion g mit |g(x)| <=c*|f(x)| fuer alle c>0 und x->a. Mit den Landau-Symbolen lassen sich Rechnungen mit Grenzwerten bisweilen vereinfachen. Z.B. lim (exp(x)-1)/x = lim (1+x+O(x^2))/x = 0 x->0 lim ln(x)/x = o(x)/x = 0 x->oo Die Landau Symbole verstehen sich immer bezueglich eines bestimmten Grenzuebergangs. So ist ln(x) = O(x-1) fuer x->1 aber nicht fuer x->0, denn lim ln(x)=-oo x->0 Das Gleichheitszeichen bei der O-Notation ist auch eher eine Elementbeziehung, als eine echte Gleichheit, insbesondere nicht transitiv: x+1=O(x), x=O(x), aber natuerlich nicht x+10x. 4 Trigonometrische Funktionen ============================= 4.1 Bogenmass und Definition ---------------------------- Das Bogenmass eines Winkels alpha ist definiert durch alpha / 180Grad * pi. Das Bogenmass entspricht der Laenge eines Bogens (zum entsprechenden Winkel) des Einheitskreises. Die y- und x-Koordinaten eines Einheitsvektors mit Winkel alpha (im Bogenmass von der x-Achse aus im Gegenuhrzeigersinn gemessen) heissen sin(alpha) und cos(alpha). Die Sinus- und Cosinusfunktionen sind stetig und auf ganz RR definiert. 4.2 Rechenregeln und spezielle Werte ------------------------------------ Es gelten die folgenden Gesetze sin(alpha+2pi) = sin(alpha) cos(alpha+2pi) = cos(alpha) /* sin und cos sind periodische Funktionen mit Periode 2pi */ sin(0)=0, cos(0)=1 sin(pi)=0, cos(pi)=-1 sin(pi/2)=1, cos(pi/2)=0 sin(pi/3 /*60 Grad*/)= 1/2sqrt(3) cos(pi/3 /*60 Grad*/)= 1/2 sin(alpha)=cos(alpha-pi/2) sin(alpha)^2 + cos(alpha)^2 = 1 sin(alpha+beta) = sin(alpha)cos(beta)+cos(alpha)sin(beta) cos(alpha+beta) = cos(alpha)cos(beta)-sin(alpha)sin(beta) etc 4.3 Trigonometrie ----------------- Im rechtwinkligen Dreieck sei alpha einer der Winkel <pi/2. Die laengste Seite heisst Hypotenuse. Die kurze Seite, die an alpha anliegt heisst Ankathete, die alpha gegenueberliegende Seite heisst Gegenkathete. Es gilt: Ankathete/Hypotenuse = cos(alpha) Gegenkathete/Hypotenuse = sin(alpha) Man definiert auch noch tan(alpha) = sin(alpha)/cos(alpha). Es gilt dann Gegenkathete/Ankathete = tan(alpha) Satz: Fuer x->0 gilt lim sin(x)/x = 1. Anschaulicher Beweis: Fuer 0<=x<pi/2 gilt: sin(x) <= x <= tan(x) (Veranschaulichung am Einheitskreis) Also sin(x)/tan(x) <= sin(x)/x <= sin(x)/sin(x) Also cos(x) <= sin(x)/x <= 1 Also lim sin(x)/x = 1 fuer x->0+. Fuer x->0- ebenso, da sin(-x)/-x = sin(x)/x. 4.4 Umkehrfunktionen -------------------- Der Sinus ist im Intervall [-pi/2,pi/2] streng monoton steigend mit Wertemenge [-1,1]. Die entsprechende Umkehrfunktion heisst Arcus-Sinus (arcsin, oder sin^-1) und ist auf [-1,1] mit Wertemenge [-pi/2,pi/2] definiert. Ebenso gibt es die Arcus-Cosinus Funktion arccos:[-1,1]->[0,pi] und die Arcus-Tangensfunktion arctan:RR->[-pi/2,pi/2] 5 Komplexe Zahlen ================= 5.1 Definition durch Hinzunahme der Wurzel aus -1 ------------------------------------------------- Man erhaelt die komplexen Zahlen, indem man zu den reellen Zahlen die *imaginaere Einheit i, die dem Gesetz i^2 = -1 genuegt, hinzunimmt. Bemerkung: Man kann nicht "einfach so" Zahlen dazu nehmen. Kaeme z.B. jemand auf die Idee, eine Zahl j einzufuehren, sodass j=1/0, so haette man 0*j=1, also 0 = 1*j - 1*j = (1-1)*j = 0*j = 1, ein Widerspruch. Im Falle der Wurzel aus -1 ist diese Hinzunahme von i aber widerspruchsfrei moeglich. Jede komplexe Zahl hat dann die Form a+i*b fuer a,b:RR, denn jeder Rechenausdruck mit komplexen Zahlen laesst sich mithilfe der folgenden Rechenregeln auf dieses Format bringen: Rechenregeln: (a+bi) + (c+di) = (a+c) + (b+d)i (a+bi) * (c+di) = ac+(ad+bc)*i+bdi^2 = (ac-bd)+(ad+bc)i wg i^2=-1 (a+bi) - (c+di) = (a-c) + (b-d)i (a+bi) / (c+di) = (a+bi)*(c-di) / (c+di)*(c-di) = 1/(c^2+d^2)*(ac+bd+(bc-ad)i) Ist z=a+bi, so heisst a Realteil und b Imaginaerteil von z. Man schreibt a=Re(z) und b=Im(z). 5.2 Konjugation und Betrag -------------------------- Die Konjugierte von z ist die komplexe Zahl ^z := a-bi. NB: ^z soll die Ueberstreichung von z, gelesen "z-quer" repraesentieren. Es ist z * ^z = a^2+b^2 = Re(z)^2 + Im(z)^2. Man definiert den Betrag einer komplexen Zahl durch |z|=sqrt(Re(z)^2+Im(z)^2)=sqrt(z ^z). Es gilt: |w+z| <= |w|+|z| (Dreiecksungleichung) |w*z| = |w|*|z| Der Division komplexer Zahlen liegt also das Erweitern mit der Konjugierten des Nenners zugrunde: w/z = w ^z / z z^ = 1/|z|^2 * w * ^z. Die Menge der komplexen Zahlen wird mit CC bezeichnet (grosses C mit Doppelstrich). 5.3 Komplexe Zahlenebene ------------------------ Man veranschaulicht sich die komplexen Zahlen als Ortsvektoren in der Ebene (Realteil = x-Koordinate, Imaginaerteil = y-Koordinate). Die Laenge dieser Vektoren entspricht dann gerade dem eben definierten Betrag. Die Addition komplexer Zahlen entspricht der Vektoraddition, die Multiplikation entspricht der Operation "stretch and turn": die Laengen (Betraege) der zu multiplizierenden Vektoren werden multipliziert, die Winkel der Vektoren, gemessen von der x-Achse entgegen dem Uhrzeigersinn, werden *addiert*, Z.B. ist die imaginaere Einheit i der Einheitsvektor in y-Richtung. Multipliziert man ihn mit sich selbst nach der "stretch-and-turn" Vorschrift, so erhaelt man offensichtlich die Minus Eins. Ebenso gilt natuerlich i^3=-i und i^4=1. Ist epsilon die komplexe Zahl mit Betrag 1 und Winkel 120 Grad, also epsilon = -1/2 + 1/2*sqrt(3)*i so ist epsilon^2 = ^epsilon und epsilon^3=1 Man sagt: epsilon sei eine primitive dritte Einheitswurzel ("Wurzel aus Eins"). "Primitiv" deshalb, weil alle drei dritten Einheitswurzeln, naemlich 1, epsilon und ^epsilon Potenzen von epsilon sind. Ebenso ist ^epsilon primitive dritte EW, denn epsilon = ^epsilon^2. Die Zahlen 1,i,-1,-i sind vierte Einheitswurzeln, i und -i sind sogar primitiv. Allgemein ist die komplexe Zahl mit Betrag a und Winkel alpha (im Bogenmass) gegeben durch z = a*(cos(alpha) + i*sin(alpha)) Im Beispiel war alpha=2*pi/3 und sin(alpha)=1/2*sqrt(3), cos(alpha)=-1/2. Dementsprechend sind die n n-ten Einheitswurzeln gegeben durch cos(2*phi*k/n)+i*sin(2*pi*k/n), wobei k=0...n-1. Fuer k teilerfremd zu n, insbesondere k=1 ergeben sich primitive n-te EW. NB: Alle n-ten EW sind Nullstellen des Polynoms z^n-1, also gibt es hoechstens n n-te EW und wie wir gesehen haben, genau n. Die Einheitswurzeln spielen unter anderem bei der diskreten Fouriertransformation, einem wichtigen Hilfsmittel bei der Signalverarbeitung eine bedeutende Rolle. 5.4 Komplexe Nullstellen von Polynomen -------------------------------------- In den komplexen Zahlen hat jede (nichttriviale) quadratische Gleichung eine Loesung, z.B., x^2 - 2x + 5 = 0 x_1/2 = 1/2*(-2 +- sqrt(-16)) = -1 +- 4i Ebenso: sqrt(-3) = sqrt(3)i Bem: ax^2+bx+c=0 heisst hier "trivial", wenn a=b=0. D Es gilt sogar, das jedes nichtkonstante Polynom eine Nullstelle in den komplexen Zahlen hat ("Fundamentalsatz der Algebra"). Hat man eine Nullstelle gefunden, dann kann man die "rausdividieren" und findet so insgesamt genau so viele Nullstellen (Vielfachheit eingerechnet), wie der Grad des Polynoms. So hat das Polynom x^3-3x^2+8x-5 = (x^2-2x+5)*(x-1) eine reelle Nullstelle, naemlich 1 und zwei komplexe Nullstellen, naemlich -1+4i und -1-4i. Da die komplexe Konjugation mit Addition und Multiplikation vertraeglich ist (^(z+w)=^z + ^w und ^(zw)=^z ^w) folgt, dass wenn z eine Nullstelle eines Polynoms P(x) ist, so auch die Konjugierte ^z. 5.5 Konvergenz im Komplexen --------------------------- Konvergenz von Folgen und Grenzwerte von Funktionen werden im Komplexen genauso wie im Reellen definiert. An die Stelle des Absolutbetrages tritt hier natuerlich der Betrag der komplexen Zahlen. Also konvergiert eine Folge (a_n)_n von komplexen Zahlen gegen b:CC, wenn fuer jedes epsilon>0 ein N:NN existiert, sodass fuer alle n>=N gilt |a_n-b|<epsilon. Die Konvergenzkriterien fuer Reihen und bereits hergeleitete Summenformeln gelten sinngemaess fort. Beispiel: z := 1/(1+i) = 1/2*(1-i). Es ist |z|=1/2<1, also ist sum(1/(1+i)^k,k=0..oo) = 1 / (1-z) = 2 / (1+i) = 1-i. 5.6 Die komplexe Exponentialfunktion ------------------------------------ Man erweitert die Exponentialfunktion exp(x)=e^x auf die komplexen Zahlen durch die folgende Setzung: e^(a+bi) = e^a * (cos(b) + i*sin(b)) also insbesondere e^(i*t) = cos(t) + i*sin(t). Diese Definition ist aus folgenden Gruenden sinnvoll: * Die Potenzgesetze gelten fort: e^(w+z) = e^w*e^z, selbst wenn w,z komplex sind * Die Reihenentwicklung e^z = sum(z^k/k!, k=0..oo) gilt auch fuer die oben definierte Fortsetzung der e-Funktion auf die komplexen Zahlen. NB: Man kann die Exponentialreihe als Definition der komplexen Exponentialfunktion nehmen und dann die obigen Gleichungen beweisen. Es gilt sin(t) = Im(e^(it)), cos(t) = Re(e^(it)). Daraus erhaelt man folgende Reihenentwicklungen fuer die trigonometrischen Funktionen: sin(x) = sum((-1)^k * x^(2k+1)/(2k+1)!, k=0..oo) cos(x) = sum((-1)^k * x^(2k)/(2k)!, k=0..oo) Daraus kann man z.B. ableiten lim sin(x)/x = lim (x+O(x^2))/x = 1 x->0 x->0 lim (cos(x)-1)/x = lim (O(x^2))/x = 0 x->0 x->0 Fuer den speziellen Wert x=pi ergibt sich aus der Definition der Exponentialfunktion die beruehmte Eulersche Formel i pi e = -1 und ebenso e^(2*pi*i)=1. 5.7 Polarkoordinaten - - - - - - - - - - Jede komplexe Zahl z=a+bi kann in der Form r*e^(i*phi) geschrieben werden, wobei r=|z| = sqrt(a^2+b^2) und phi der Winkel des Ortsvektors (a,b) ist. Es ist phi = arctan(b/a) oder phi = pi-arctan(b/a), je nachdem, ob a positiv oder negativ ist. In vielen Programmiersprachen gibt es die Funktion atan2 fuer diesen Zweck. Man erhaelt als Anwendung eine praktische Darstellung der n-ten Einheitswurzeln: und zwar definiert man w_z := e^(2*pi*i / n) und die Eckpunkte eines regelmaessigen n-Ecks vom Radius Eins in der Zahlenebene sind dann w_z, w_z^2, ..., w_z^n, wobei w_z^n=1 gilt. Anwendung: Die Gleichung e^x = z hat fuer alle z:CC eine Loesung, naemlich ln(r)+i*(phi+2*pi*k), falls z=r*e^(i*phi) und k:ZZ beliebig. Man findet die Notation Ln(z) fuer diese Loesung im Falle k=0 und phi:]-pi;pi] und spricht vom Hauptwert des komplexen Logarithmus. Wir verwenden diese Notation und Sprechweise nicht. 5.8 Komplexe Potenzen --------------------- Fuer reelles a>0 und komplexes z definiert man a^z := exp(z * ln(a)) Es gilt dann a^(w+z)=a^w*a^z. Potenzen mit komplexen Basen sind ebenso wie solche mit negativen Basen nach wie vor nur fuer ganzzahlige Exponenten erklaert. Zwar koennte man z.B. setzen, (-1)^(0.5) = i, aber warum nicht -i. Bei komplexen Exponenten und negativen Basen ergeben sich weitere Ungereimtheiten: e^(i pi) = -1 (-1)^i =?= e^(-pi) e^(-2pi) =?= 1^i = 1 ???? 5.9 Trigonometrische Funktionen im Komplexen -------------------------------------------- Fuer reelles x rechnet man leicht nach, dass cos(x) = (e^(ix)+e^(-ix))/2 sin(x) = (e^(ix)-e^(-ix))/(2i) Diese Formeln machen nun auch fuer komplexes x Sinn und werden daher als Definition der trig. Fkt. im Komplexen verwendet. Die weiter oben besprochenen Reihenentwicklungen fuer die trig. Fkt. gelten auch fuer diese komplexen Erweiterungen. 6. Differentiation ================== 6.1 Definition und Beispiele ---------------------------- Sei f : D->W wobei D <= RR, W <= CC und x:D. Die Funktion f ist an der Stelle x:D differenzierbar, wenn der Grenzwert lim (f(x+h) - f(x)) / h h->0 existiert. Man schreibt dann f'(x) fuer diesen Grenzwert. Alternative Notation: df(x)/dx (gelesen df(x) nach dx). Im Falle W <=RR ist f'(x) die Steigung der Tangente an den Graphen von f an der Stelle x, also die Steigung des Graphen im Punkt x. Je steiler, desto groesser ist f'(x); ist f(x)=0, so verlaeuft der Graph im Punkt x eben. Im Falle W<=CC ist der Graph von f eine gewundene Kurve, f'(x) gibt an, wie stark sich in einer Umgebung von x der Realteil und der Imaginaerteil von x aendern. Die Funktion f'(x), die die Steigung von f in Abhaengigkeit von x angibt heisst Ableitung von f. Beispiele: f(x) = c /* konstante Funktion */ lim (c-c)/h = 0, also f'(x)=0 und der Grenzwert existiert fuer alle x:R h->0 oder sogar x:CC. (Steigung ueberall 0) f(x) = x lim (x+h-x)/h = lim h/h = 1, also f'(x)=1 (Steigung konstant 1) f(x) = x^2 lim ((x+h)^2-x^2)/h = lim (2hx+h^2)/h = 2x, also f'(x)=2x. (Steigung proportional zu x) f(x) = 1/x und D=RR^+. lim (1/(x+h)-1/x)/h = lim (x-x-h)/(h*x*(x+h)) = - lim h/(h*x*(x+h)) = - lim 1/(x*(x+h)) = - 1/x^2. Also f'(x) = - 1/x^2. f(x) = exp(x) lim (exp(x+h)-exp(x))/h = exp(x) * lim (exp(h)-1)/h = exp(x). f(x) = sin(x) lim (sin(x+h)-sin(x))/h = lim (sin(x)cos(h)+cos(x)sin(h)-sin(x))/h = (cos(x)lim sin(h)/h) + sin(x)lim(cos(h)-1)/h = cos(x) Analog: cos'(x) = -sin(x) f(x) = g(lambda*x) lim (g(lambda*x+lambda*h)-g(lambda*x))/h = lim (g(lambda*x+k)-g(lambda*x))/(k/lambda) = lambda * g'(lambda x) Bemerkung: Bei komplexwertigen Funktionen gilt Re(f'(x)) = (Re f)'(x) Im(f'(x)) = (Im f)'(x) Daraus ergeben sich alternative Beweise fuer die Ableitungen der trigonometrischen Funktionen: sin'(x) = Im(exp(ix)') = Im(i*exp(ix)) = cos(x) sin'(x) = Re(exp(ix)') = Re(i*exp(ix)) = -sin(x) Bemerkung: Ist eine Funktion f in einem Punkt x differenzierbar, so ist sie in x auch stetig. Die Umkehrung gilt nicht immer; Gegenbeispiel: f(x)=|x| ist in x=0 stetig, aber nicht differenzierbar. 6.2 Differentiations-Regeln --------------------------- Grundrechenarten: Seien f,g:D->CC, lambda:CC Es gelten -) (f+g)'(x) = f'(x)+g'(x) -) (f-g)'(x) = f'(x)-g'(x) -) (lambda*f)'(x) = lambda*f'(x) -) (f*g)'(x) = f'(x)*g(x)+f(x)*g'(x) -) (f/g)'(x) = (f'(x)*g(x) - f(x)*g'(x)) / (g(x)^2) (g(x) =/= 0) Beispiele: f(x) = x^3 = x^2*x f'(x) = 2x*x + x^2*1 = 3x^2. Allgemein gilt: Falls f(x)=x^n, so ist f'(x)=n*x^(n-1) und zwar nicht nur fuer n:NN, sondern fuer alle n:CC. f(x) = sin(x)*exp(x) f'(x) = cos(x)*exp(x)+sin(x)*exp(x) f(x) = tan(x) = sin(x)/cos(x) f'(x) = 1/(cos(x)^2)*(cos(x)^2 + sin(x)^2) = 1/cos(x)^2 Kettenregel: Sei g:D->W, h:W->CC f(x) = h(g(x)) Dann ist f'(x) = h'(g(x))*g'(x) Beispiele: f(x)=exp(-x^2) f'(x)=-exp(-x^2)*2x f(x)=(sin(x))^2 f'(x)=2sin(x)*cos(x) Differentiation der Umkehrfunktion. Sei f:D->W und g:W->D die Umkehrfunktion von f (existiert, wenn f auf D streng monoton ist). Es gilt dann: g'(f(x))=1/f'(x) Beispiel: f(x)=exp(x), g(x)=ln(x) g'(exp(x)) = 1/exp(x), also g'(z)=1/z f(x)=sin(x), g(x)=arcsin(x) g'(sin(x))=1/cos(x)=1/sqrt(1-sin(x)^2), also g'(z)=1/sqrt(1-z^2) f(x)=cos(x), g(x)=arccos(x) g'(cos(x))=-1/sin(x)=-1/sqrt(1-cos(x)^2), also g'(z)=-1/sqrt(1-z^2) f(x)=tan(x), g(x)=arctan(x) g'(tan(x))=cos(x)^2=1/(1+tan(x)^2), also g'(z)=1/(1+x^2) NR: tan(x)^2=(1-cos(x)^2)/cos(x)^2 ==> cos(x)^2=1/(1+tan(x)^2) Es ist bemerkenswert, dass die Ableitungen der Umkehrfunktionen von exp,sin,cos,tan vergleichsweise einfach aussehen. Beispiel: f(x)=x^x f(x) = exp(ln(x^x)) = exp(x*ln(x)) f'(x) = exp(x*ln(x))*(1*ln(x)+x*1/x) = x^x * (ln(x)+1) Anwendungsbeispiel: lim log( (1+x/n)^n) = lim n*log(1+x/n) = n->oo lim x * log(1+x/n)/(x/n) = n->oo lim x * log(1+h)/h = x * log'(1) = x h->0 also ist lim (1+x/n)^n = e^x n->oo "Stetige Verzinsung". Die jaehrlichen Zinsen seien x, z.B. x=0.03 (drei Prozent). Das Jahr wird in n Teile zerlegt, z.B. n=360, nach jedem Teil werden die Zinsen berechnet und zum Kapital addiert. Es multipliziert sich also mit (1+x/n), bzw. nach einem Jahr um (1+x/n)^n. Laesst man die Teile im kleiner werden, so wird im Grenzwert das Kapital mit e^x multipliziert. 6.3 Höhere Ableitungen ---------------------- Man definiert die zweite Ableitung einer Funktion als die Ableitung der Ableitung. Sie ist ein Mass fuer die Aenderung der Steigung oder die Kruemmung des Graphen. f''(x) = g'(x) wobei g(x)=f'(x) Natuerlich muss f'(x) in einer Umgebung von x existieren, damit f''(x) in x existiert. Man schreibt auch d^2 f(x) / dx^2 fuer f''(x). 6.4 Monotonie und Konvexitaet ----------------------------- Ist f'(x)>0 in einem Intervall I, so steigt f streng monoton in I Ist f'(x)<0 in einem Intervall I, so faellt f streng monoton in I Ist f''(x)>=0 in einem Intervall I, so ist f in I konvex (nach oben gebogen) Ist f''(x)<=0 in einem Intervall I, so ist f in I konkav (nach unten gebogen). Ist f in einem Intervall monoton wachsend, bzw. fallend, so gilt in diesem Intervall f'(x)>=0, bzw. f'(x)<=0. Eine analoge Umkehraussage kann fuer die zweite Ableitung getroffen werden. Die Funktion f(x)=x^3 ist in ganz RR streng monoton steigend, aber f'(0)=0. Formal definiert man eine auf einem Intervall I definierte Funktion f als konvex, wenn fuer alle x,y:I und lambda:[0,1] gilt: f(lambda*x + (1-lambda)*y) <= lambda*f(x)+(1-lambda)*f(y) Hier ist z := lambda*x + (1-lambda)*y ein Punkt zwischen x und y und lambda*f(x)+(1-lambda)*f(y) ist der Punkt oberhalb von z auf der Geraden durch (x,f(x)) und (y,f(y)). Konvexitaet bedeutet also, dass der Graph zwischen zwei Punkten sich jeweils unterhalb der Verbindungsgerade der beiden Punkte befindet ("nach oben gebogen"). Beispiele auf ganz RR konvexer Funktionen sind exp(x) und f(x)=x^2 und (ein Grenzfall) auch f(x)=x. Eine Funktion f(x) ist konkav, wenn -f konvex ist, oder - gleichbedeutend - die obige Ungleichung mit >= statt mit <= erfuellt ist ("nach unten gebogen"). Die Wurzelfunktion ist z.B. auf [0,oo] konkav. Anwendung: Fuer lambda:[0,1] und x,y:RR^+_0 gilt x^lambda * y^(1-lambda) <= lambda*x + (1-lambda)*y Beweis: Der Logarithmus ist konkav (zweite Ableitung -1/x^2). Daher gilt lambda*ln(x)+(1-lambda)*ln(y) <= ln(lambda*x + (1-lambda)*y) Also ln(x^lambda*+y^(1-lambda)) <= ln(lambda*x + (1-lambda)*y) woraus die Behauptung durch Anwenden der monotonen Funktion exp folgt. Diese Abschaetzung hat weitere Anwendungen in der linearen Algebra (siehe [Forster]). 6.5 Lokale Extrema ------------------ Sei f:]a,b[ -> RR eine Funktion. f hat in x:]a,b[ ein lokales Maximum / Minimum, wenn epsilon>0 existiert, sodass fuer alle y mit |x-y|<epsilon gilt f(y)<=f(x) (Maximum), bzw f(y)>=f(y) (Minimum). Hat man <,> statt <=,>=, so spricht man von einem strengen Maximum/Minimum. Der Oberbegriff fuer Maxima und Minima lautet Extremum. Beispiele: f(x)=x^2 hat bei x=0 ein lokales Minimum. f(x)=sin(x) hat lokale Maxima bei pi/2+2*k*pi fuer k:ZZ und lokale Minima bei -pi/2+2*k*pi fuer k:ZZ. f(x)=exp(x) hat keine lokalen Extrema. Satz: Hat f bei x ein lokales Extremum und ist f bei x differenzierbar, so ist f'(x)=0. Intuitive Begruendung: Die Steigung bei x muss Null sein, sonst koennte man ja in der Naehe von x noch nach oben oder unten gehen. Die Umkehrung gilt nicht, z.B. ist f'(0)=0 fuer f(x)=x^3. Satz: Gilt f'(x)=0 und f''(x)>0, so hat f bei x ein strenges lokales Minimum; Ist f''(x)<0, so hat f bei x ein strenges lokales Maximum. Intuitive Begruendung: f hat bei x Steigung 0 und ist nach unten gebogen. Es muss ein Maximum vorliegen. Beispiel: f(x) = x^3 - 2*x^2 + 1 f'(x)=3x^2-4x f'(x)=0 <=> x:{0,4/3} f''(x)=6x-4 f''(0)=-2, f''(4/3)=2 Strenges lokales Maximum bei x=0; strenges lokales Minimum bei x=2/3. Bemerkung: interessiert man sich fuer Extremwerte in einem geschlossenen Intervall, so muss man die Intervallgrenzen gesondert behandeln. Beispiel: Man bestimme alle Extrema von f(x)=x^2 in [-1,1]. Lokales (und absolutes) Minimum bei x=0 und es ist f'(0)=0. Lokale und absolute Maxima bei x=-1, x=+1, aber f'(1), f'(-1) =/= 0. Man bestimme das lokale Minimum von f(x)=x^x: Es ist f'(x)=x^x(ln(x)+1) und f''(x)=x^x((ln(x)+1)^2+1/x) Die einzige Nullstelle von f' ist 1/e und f''(1/e)=e*(1/e)^(1/e)>0. 6.6 Mittelwertsätze ------------------- Satz (Zwischenwertsatz): Sei f: [a,b]->RR eine stetige Funktion. Fuer jeden Wert y:[f(a),f(b)], bzw y:[f(b),f(a)], gibt es ein x:[a,b] mit f(x)=y. Begruendung: man beschreibt das gesuchte x durch eine Intervallschachtelung. Aufgrund der Stetigkeit von f ergibt sich dann der gewuenschte Funktionswert, Details s. Forster, S113. Verallgemeinerung: Sei f: [a,b]->RR eine stetige Funktion. Seien u,v:[a,b] mit f(u)<=f(v). Fuer jeden Wert y:[f(u),f(v)] gibt es ein x:[a,b] mit f(x)=y. Satz (Mittelwertsatz der Differentialrechnung): Ist f:[a,b]->RR stetig differenzierbar, so gibt es x:[a,b] mit f'(x)=(f(b)-f(a))/(b-a). D.h. an einem Punkt in [a,b] entspricht die Steigung gerade der Steigung der Sekanten durch a und b. Beweis: Durch Umskalierung kann man sich auf den Fall f(b)=f(a) beschraenken ("Satz von Rolle"). Dann aber folgt die Aussage aus der Tatsache, dass zwischen a und b ein lokales Extremum liegen muss. Anwendungen: Satz: Ist I ein Intervall und f:I->W differenzierbar und gilt f'(x)=0 fuer alle x:I, so ist f konstant, also f(x)=c fuer ein c:W und alle x:D. Beweis: Seien a,b:I mit a=/=b. Nach dem Mittelwertsatz der Differentialrechnung:gibt es x:I mit (f(b)-f(a))/(b-a) = f'(x) = 0, also f(a)=f(b). Es gilt daher, f(x)=c fuer c:=f(a) fuer beliebig gewaehltes a:I. Satz: Ist I ein Intervall und f:I->W differenzierbar und gilt f'(x)=a*f(x) fuer alle x:I, so existiert c mit f(x)=c*exp(a*x). Beweis: Betrachte g(x)=f(x)*exp(-a*x). Es ist g'(x)=f'(x)*exp(-ax)-a*f(x)*exp(-ax) = 0 nach Annahme an f. Also ist g(x) konstant und die Behauptung folgt. Satz: Ist I ein Intervall und f:I->W differenzierbar und gilt f''(x)=-a^2*f(x) fuer alle x:I, so existieren c,d mit f(x)=c*sin(a*x)+d*cos(a*x). Beweis: Hat f tatsaechlich diese Form, so gilt fuer f1(x):=f(x)/cos(ax), dass f1(x)=c*tan(ax)+d und weiter f1'(x)=ac/cos(ax)^2. Daher muesste f1'(x)*cos(ax)^2 konstant sein (naemlich =ca). Das rechnen wir jetzt nach: Setze g(x) := f1'(x)*cos(ax)^2 = f'(x)*cos(ax) + a*f(x)*sin(ax). Es ist g'(x)=f''(x)*cos(ax)-a*f'(x)*sin(ax)+a*f'(x)*sin(ax)+a^2*f(x)*cos(ax)=0. Also g(x)=c' fuer ein c':RR. Wir setzen c:=c'/a und bemerken, dass wiederum unter der Annahme, dass f die gewuenschte Form hat, dann h(x) := (f(x)-c*sin(ax))/cos(ax) konstant sein muesste. Das rechnen wir ebenso nach: h'(x) = 1/cos(ax)^2 * (f'(x)-ac cos(ax))cos(ax)+a(f(x)-c*sin(ax))sin(ax) = h'(x) = 1/cos(ax)^2 * (f'(x) cos(ax) - ac cos(ax)^2 + a f(x) sin(ax) - ac*sin(ax)^2) = 1/cos(ax)^2 * (f'(x) cos(ax) + a f(x) sin(ax) - ac) = 0 Also gibt es d:RR mit h(x)=d und Rueckeinsetzen liefert f(x)-c*sin(ax) = d*cos(ax), also f(x)=c*sin(ax)+d*cos(ax) wie gewuenscht. 6.7 Regeln von l'Hospital ------------------------- Aus dem Mittelwertsatz der Differentialgleichung koennen folgende nuetzliche Regeln fuer Grenzwerte hergeleitet werden. Satz (Regeln von L'Hospital): Seien f,g:D->CC stetig differenzierbar und lim f'(x)/g'(x) = c x->b Hier ist b:RR u {oo, -oo}. Wenn lim f(x) = lim g(x) = 0, so ist lim f(x)/g(x) = c x->b x->b x->b Wenn lim f(x) = lim g(x) = +/- oo, so ist lim f(x)/g(x) = c x->b x->b x->b Beispiele: lim (exp(x)-1) / x = lim exp(x) / 1 = 1 x->0 x->0 lim x^x = lim exp(x*ln(x)) = exp(lim(ln(x)/(1/x))) = x->0 x->0 x->0 = exp(lim -(1/x)/(1/x^2)) = exp(0) = 1. x->0 Achtung: Damit die Regel von L'Hospital anwendbar ist, *muss* eine der sog. unbestimmten Formen, also 0/0, +/- oo/oo vorliegen. Gegenbeispiel: 0 = lim x / (1+x) =/= lim 1/1 = 1 x->0 x->0 Beweisskizze fuer den Spezialfall lim f(x)/x mit lim f'(x) = c und lim f(x)=0 x->0 x->0 x->0 Wir koennen (ggf stetig fortsetzen) annehmen, dass f(0)=0. Zu jedem x gibt es also y:[0,x], sodass f'(y)= (f(x)-f(0))/(x-0) = f(x)/x. Wenn also lim f'(y) = c, dann muss auch lim f(x)/x = c sein. 7. Integralrechnung =================== 7.1 Definition und Beispiele ---------------------------- Definition: Eine Funktion f:[a,b]->CC heisst stueckweise stetig, wenn es eine Zerlegung des Intervalls [a,b] in endlich viele Teilintervalle gibt, sodass f auf jedem Teilintervall stetig ist. Formal gibt es also a0..an mit a=a0<a1<...<an=b und f ist eingeschraenkt auf [ai,a(i+1)] jeweils stetig. Das bedeutet insbesondere, dass f nur an endlich vielen Ausnahmepunkten unstetig ist und dass diese endlich vielen Ausnahmepunkte alles "Sprungstellen" sind (links- und rechtsswietiger Grenzwert existieren). Es ist auch klar, dass eine stueckweise stetige Funktion beschraenkt ist. Beispiele: Wenn f ueberhaupt stetig ist, dann ist f natuerlich auch stueckweise stetig, also z.B. f(x)=x^2*sin(x) auf [-3,7]. Die Funktion darf aber wie gesagt endlich viele Sprungstellen haben, also zum Beispiel f(x)=floor(x) auf [-10,10] mit 21 Sprungstellen. Die Funktion f(x) = 1/x^2 auf [-1,1] hat zwar nur eine Unstetigkeitsstelle bei x=0, gilt aber wegen dem oben Ausgefuehrten nicht als stueckweise stetig. Definition: Sei f:D->W <= CC eine Funktion, sodass f eingeschraenkt auf das Intervall [a,b] stueckweise stetig ist. Das Riemann-Integral ist dann als folgender Grenzwert definiert: N-1 b ___ / \ | f(x) dx := lim > f(a+k(b-a)/N)*(b-a)/N / N->oo / a --- k=0 Man kann zeigen, dass dieser Grenzwert immer existiert. Wir schreiben auch int(f(x) dx, a..b) Beispiele: int(x dx, 0..b) = lim sum(k*b/N * b/N,k=0..N-1) = lim b^2/N^2*sum(k,k=0..N-1) = N->oo = lim b^2/N^2*N*(N-1)/2 = b^2/2. int(x^2 dx, 0..b) = lim sum((k*b/N)^2 * b/N,k=0..N-1) = = lim b^3/N^3*sum(k^2,k=0..N-1) = 1/3 b^3. Man deutet das Integral geometrisch als die Flaeche unter dem Graphen von f im Intervall a..b. ^ | 1 | Die Flaeche des krummlinigen Dreiecks, also unterhalb | || der Normalparabel ist also int(x^2 dx,x=0..1) = 1/3. | /| .5 / | | - | | _ - ° | -|-----.5-----1-----------> Die krummlinige Flaeche wird durch Flaechen von immer schmaler werdenden Rechtecken (der Hoehe f(a + k*(b-a)/N) und Breite (b-a)/N) angenaehert. Bemerkung: Normalerweise definiert man das Riemann-Integral zunaechst fuer beliebige Funktionen als Grenzwert von Summen wie oben, wobei allerdings die Wahl der Stuetzstellen nicht unbedingt aequidistant zu erfolgen hat. Existiert der Grenzwert unabhaengig von der Wahl der Stuetzstellen, sofern nur deren Abstand (Maschenweite) gegen Null geht, so bezeichnet man die Funktion als "Riemann integrierbar". Man kann dann zeigen, dass eine Funktion genau dann Riemann integrierbar ist, wenn sie hoechstens abzaehlbar viele Unstetigkeitsstellen hat und ausserdem auf dem Intervall [a,b] beschraenkt ist (Lebesgue-Kriterium). Im Falle einer Riemann-integrierbaren Funktion genuegen dann natuerlich auch die aequidistanten Unterteilungen. Es gibt auch noch allgemeinere Integralbegriffe (heutiger Standard ist das Lebesgue-Integral), mit dem auch noch anderen Funktionen ein Integral zugewiesen werden kann, insbesondere solchen, die auf einem offenen Intervall, wie [0,oo[ definiert sind, oder solchen, die nirgendwo stetig sind, wie etwa die Dirichlet Funktion d(x) = if x rational then 1 else 0 Fuer unsere Zwecke (und die allermeisten in der Praxis vorkommenden Faelle) genuegt die Definition des Integrals fuer stueckweise stetige Funktionen. Weiteres Beispiel: int(exp(x) dx, x=0..b). Zunaechst stellen wir fest sum(exp(k*b/N),k=0..N-1) = sum(exp(b/N)^k,k=0..N-1) = (exp(N*b/N)-1) / (exp(b/N)-1) /* geometrische Reihe */ = (exp(b)-1)/(exp(b/N)-1) Also sum(exp(k*b/N)*b/N,k=0..N-1) = b/N * (exp(b)-1)/(exp(b/N)-1). Der Grenzwert hiervon fuer N->oo ergibt sich zu exp(b)-1, also ist int(exp(x) dx, x=0..b) = exp(b)-1. Satz: Fuer a<=b<=c gilt (sofern die vorkommenden Ausdruecke ueberhaupt definiert sind) int(f(x)dx,x=a..b) + int(f(x)dx,x=b..c) = int(f(x)dx,x=a..c) Begruendung: Intuitiv ist das klar, fuer einen rigorosen Beweis muss man etwas vorsichtig sein, weil die Zusammensetzung von zwei aequidistanten Einteilungen im allgemeinen nicht wieder eine aequidistante Einteilung liefert. Satz (Mittelwertsatz der Integralrechnung): Ist f:[a,b]->RR stetig (nicht nur stueckweise!), so existiert x0:[a,b] derart dass int(f(x) dx,x=a..b) = f(x0)*(b-a) Veranschaulichung: f(x0)*(b-a) ist ein Rechteck der Breite b-a und Hoehe f(x0). Man waehlt zunaechst die Hoehe so, dass diese Flaeche gerade dem Integral entspricht. Dann erhaelt man mit dem Zwischenwertsatz einen passenden x-Wert. Es gilt auch noch folgende allgemeinere Version des Mittelwertsatzes: Satz: Sei f auf [a,b] stetig und g stueckweise stetig, so existiert x0:[a,b] mit int(f(x)*g(x) dx,x=a..b) = f(x0)*int(g(x) dx,x=a..b) Beweis: Sei m das absolute Minimum von f auf [a,b] und M das Maximum. Setze mu := int(f(x)*g(x))/int(g(x) dx, x=a..b). Wegen m*int(g(x) dx, x=a..b) <= int(f(x)*g(x) dx,x=a..b) <= M*int(g(x) dx, x=a..b) liegt mu zwischen m und M und wird nach dem Zwischenwertsatz von f angenommen. Das liefert das gewuenschte x0. 7.2 Integration und Differentiation ----------------------------------- Satz: Sei I ein Intervall (moeglicherweise offen, moeglicherweise mit Grenzen -oo, oo) und f:D->W stetig. Fuer jedes a:I ist die Funktion F:I->W definiert durch F(x) = int(f(t) dt,t=a..x) auf ganz I stetig differenzierbar und es ist F'(x)=f(x). Beweisskizze: F(x+h)-F(x) = int(f(t) dt,t=x..x+h) = h*f(xi) fuer ein xi:[x..x+h] /*Mittelwertsatz der Integralrechnung*/. Es folgt F'(x) = lim (F(x+h)-F(x))/h = f(x). h->0 Definition: Sei f stetig. Eine Funktion F mit F'=f heisst *Stammfunktion* von f. Man kann den Begriff der Stammfunktion auf stueckweise stetige Funktionen f erweitern. Hier muss dann die Stammfunktion ueberall ausser an den Sprungstellen vonf differenzierbar sein und ihre Ableitung muss dort mit f uebereinstimmen. Beispiel: Die Betragsfunktion ist in diesem Sinne Stammfunktion der Signumfunktion. Aus obigem Satz folgt unmittelbar der Fundamentalsatz der Differential- und Integralrechnung: Ist F Stammfunktion von f, so ist int(f(x) dx,x=a..b) = F(b)-F(a) Begruendung: Zwei Stammfunktionen koennen sich nur um eine Konstante unterscheiden, die sich bei der Differenz weghebt. Die Funktion int(f(t) dt,t=a..x) selbst ist aber auch eine Stammfunktion. Man fuehrt fuer die Differenz F(b)-F(a) die Notation [F(x)]_a^b ein. Dieser Fundamentalsatz erlaubt die sehr komfortable Auswertung von Integralen: Beispiele: Aus d/dx x^s = s*x^{s-1} ergibt sich, dass 1/(s+1)*x^(s+1) Stammfunktion zu x^s ist. Also folgt int(x^s dx, x=a..b) = [1/(s+1) x^(s+1)]_a^b Man schreibt fuer eine Stammfunktion von f abkuerzend int(f(x) dx) und bezeichnet das als "unbestimmtes Integral" im Gegensatz zu den vorher eingefuehrten "bestimmten Integralen" mit expliziten Integrationsgrenzen. Zum Beispiel ist: int(x dx) = 1/2 * x^2 Die Notation ist aber mit etwas Vorsicht zu verwenden, denn 1/2*x^2 + 1 ist ja auch eine Stammfunktion. Man sieht daher auch die Notation int(f(x) dx) = F(x) + C wobei C eine beliebige Konstante repraesentieren soll. Aus den bisher gefundenen Ableitungen ergeben sich folgende weitere Stammfunktionen. int(sin(x) dx) = -cos(x) int(cos(x) dx) = -sin(x) int(exp(x) dx) = exp(x) int(1/x dx) = ln(x), falls x>0 int(1/x dx) = ln(-x), falls x<0 daher insgesamt: int(1/x dx) = ln(|x|). int(1/(1+x^2) dx) = arctan(x) int(1/sqrt(1-x^2) dx) = arcsin(x) Wir halten noch fest, dass die Integration eine lineare Operation ist: int(f(x)+g(x) dx) = int(f(x) dx) + int(g(x) dx) int(lambda*f(x) dx) = lambda * int(f(x) dx) 7.3 Substitutionsregel ---------------------- Die Kettenregel lautet bekanntlich: Ist f(x)=h(g(x)), so ist f'(x)=h'(g(x))*g'(x) Dementsprechend ist h(g(x)) eine Stammfunktion zu h'(g(x))*g'(x): int(h'(g(x))*g'(x) dx) = h(g(x)) Das ist die *Substitutionsregel*. Die Schwierigkeit liegt darin, dass der *Integrand* dieses ganz bestimmte Format h'(g(x))*g'(x) fuer geeignete Funktionen g,h haben muss, damit die Regel anwendbar ist. Beispiele: int(exp(lambda*x) dx) = 1/lambda int(exp(lambda*x)*lambda dx) = 1/lambda exp(lambda*x) int(exp(x^2)*x dx) = 1/2 * int(exp(x^2)*2x dx) = 1/2 exp(x^2) Manchmal ist als Merkhilfe folgende symbolische Rechnung nuetzlich: Nachdem g'(x) = dg(x)/dx hat man *formal* auch g'(x) dx = dg(x), also int(h(g(x))*dg(x), x=a..b) = int(h(u) du, u=g(a)..g(b)) und ebenso int(h(g(x))*dg(x)) = int(h(u) du) Hiermit kann man wie folgt rechnen: int(exp(x^2)*x dx) = 1/2*int(exp(u) du) = 1/2 exp(u) = 1/2 exp(x^2) NR: Setze u:=x^2, also du/dx = 2x, also du = 2x dx, also x dx = 1/2 du. Weitere Beispiele: int(tan(x) dx) = int(sin(x)/cos(x) dx) = - int(1/u du) = - ln(|u|) = -ln(|cos(x)|). NR: u=cos(x), also du = -sin(x) dx. Manchmal muss man die Substitutionsregel auch in umgekehrter Richtung anwenden: Sucht man eine Stammfunktion zu f und besitzt g eine Umkehrfunktion (ggf eingeschraenkt auf ein passendes Intervall) und ist h(y) = int f(g(y))*g'(y) dy so gilt fuer die Stammfunktion F(x) = int f(x) dx, dass F(g(y)) = h(y), also F(x) = h(g^(-1)(x)). Beispiel: Gesucht ist eine Stammfunktion zu f(x)=sqrt(1-x^2) (definiert auf [-1,1]). Wir waehlen g(y)=sin(y) auf [-pi/2,pi/2] mit Umkehrfunktion arcsin:[-1,1]->[-pi/2,pi/2] Es ist int f(g(y)) g'(y) dy = int sqrt(1-sin(y)^2) * cos(y) dy = int |cos(y)|*cos(y) dy = int cos(y)^2 dy = 1/2*(y+sin(y)*cos(y)) /*Durch Raten*/. Also ist int sqrt(1-x^2)dx = 1/2*(arcsin(x)+x*sqrt(1-x^2)) Insbesondere ist int(sqrt(1-x^2) dx,-1..1) = arcsin(1) = pi/2 (Flaeche des halben Einheitskreises). Auch diese Version der Substitutionsregel kann durch die formale Rechnung mit dx,du anschaulich gemerkt werden: int sqrt(1-x^2) dx = ... Substitution x=sin(y), dx/dy = cos(y), also dx = cos(y)dy ... = int sqrt(1-sin(y)^2) cos(y) dy = int cos(y)^2 dy = ... Man kann die Substitutionsregel auch fuer Integrale mit Integrationsgrenzen verwenden ("bestimmte Integrale"), wenn man die Grenzen entsprechend mitsubstituiert. Das geht aber nur, wenn die substituierte Funktion umkehrbar ist. Ggf muss man also das Integral zerlegen: int(exp(x^2)*x dx, x=0..2) = 1/2*int(exp(u) du,u=0..4) = [1/2 exp(u)]_0^4. int(exp(x^2)*x dx, x=0..2) = 1/2*int(exp(u) du,u=0..4) = [1/2 exp(u)]_0^4. int(exp(x^2)*x dx, x=-1..1) = int(exp(x^2)*x dx, x=-1..0) + int(exp(x^2)*x dx, x=0..1) = [1/2 exp(u)]_1^0 + [1/2 exp(u)]_0^1 = 0 int(sqrt(1-x^2) dx,x=-1..1) = int(cos^2(y) dy,y=-pi/2..pi/2) = [1/2*(y+sin(y)*cos(y))]_(pi/2)^(pi/2) = pi/2 7.4 Partialbruchzerlegung ------------------------- Folgendes Beispiel moege die Methode der Partialbruchzerlegung erlaeutern: Es gelte, eine Stammfunktion zu f(x)=1/(x^2-x-2) aufzusuchen. Man zerlegt zunaechst den Nenner in Linearfaktoren: x^2-x-2 = (x+1)(x-2). Sodann macht man den Ansatz 1/((x+1)(x-2)) = A/(x+1) + B/(x-2) Durchmultiplizieren mit dem Hauptnenner fuehrt auf B(x+1)+A(x-2)=1, also (Koeffizientenvergleich!): A+B=0, -2A+B=1, also A=-1, B=1. Demnach ist int(1/(x^2-x-2) dx) = int(-1/(x+1)+1/(x-2) dx) = -ln(|x+1|) + ln(|x-2|). Die beiden Brueche -1/(x+1) und 1/(x+2) heissen *Partialbrueche*. Dieser Ansatz funktioniert immer, wenn der Nenner vom Grad d auch d verschiedene reelle Nullstellen hat. Gibt es komplexe Nullstellen, so muss man Partialbrueche ansetzen, die die entsprechenden quadratischen Faktoren als Nenner haben (und lineare Terme Ax+B im Zaehler). Hat man Nullstellen groesserer Vielfachheit, so muessen Partialbrueche mit Zaehler A, Bx, Cx^2, etc bs hin zur entsprechenden Vielfachheit angesetzt werden. Beispiel: Es gelte, eine Stammfunktion zu 1/((x-1)^2*(x^2+2x+3) (Nullstellen des Nenners 1 (doppelt), i-1,-i-1 Ansatz. 1/((x-1)^2*(x^2+2x+3)) = A/(x-1) + B/(x-1)^2 + (Cx+D)/(x^2+2x+3) 1 = A(x-1)(x^2+2x+3) + B(x^2+2x+3) + (Cx+D)(x-1)^2 1 = A(x^3+x^2+x-3) + B(x^2+2x+3) + C(x^3-2x^2+x) + D(x^2-2x+1) Koeffizientenvergleich: A+C=0 /* x^3 */ A+B-2C+D=0 /* x^2 */ A+2B+C-2D=0 /* x */ -3A+3B+D=1 /* 1 */ Einsetzungs und Additionsverfahren: A=-1/9, B=1/6, C=1/9, D=1/6 Die Partialbruchzerlegung: 1/((x-1)^2*(x^2+2x+3))=-1/(9(x-1)) + 1/(6(x-1)^2) + (2x+3)/(18(x^2+2x+3)) Also: int(1/((x-1)^2*(x^2+2x+3)) dx) = -1/9*ln|x-1| - 1/(6(x-1)) + 1/18*ln|x^2+2x+3| + sqrt(2)/36*arctan((x+1)/sqrt(2)) Nebenrechnung: int(1/(x^2+2x+3) dx) = int(1/((x+1)^2+2) dx) /* quadr. Ergaenzung */ = int(1/(y^2+2) dy) /* y=x+1 */ = int((1/2)/((y/sqrt(2))^2+1) dy) /* y=x+1 */ = int((1/2)/((y/sqrt(2))^2+1) dy) /* z=y/sqrt(2) */ = sqrt(2)/2 int(1/(z^2+1) dz) = 1/sqrt(2) arctan(z) = 1/sqrt(2) arctan((x+1)/sqrt(2)) int(x/(x^2+2x+3) dx) = int(1/2 * (2x+2)/(x^2+2x+3) - 1/(x^2+2x+3) dx) = = 1/2*int(1/u du) - 1/sqrt(2) arctan((x+1)/sqrt(2)) /* u = x^2+2x+3 */ = 1/2*ln|x^2+2x+3| - 1/sqrt(2) arctan((x+1)/sqrt(2)) Bemerkung: Im Tafelvortrag wurde empfohlen fuer mehrfache Nullstellen einen einzigen Partialbruch dafuer mit nichtkonstantem Zaehler anzusetzen. Im Beispiel waere das dann (Ux+V)/(x-1)^2. Eine Stammfunktion fuer diesen erhaelt man dann so: int (Ux+V)/(x-1)^2 dx = int (Uy-U+V)/y^2 dy = U ln|x-1| - (V-U)/(x+1) Besser ist aber die im Beispiel verwendete Methode, bei der fuer eine k-fache Nullstelle bei a insgesamt k Partialbruecke der Form A_i/(x-a)^i fuer i=1..k angesetzt werden. Weitere Beispiele int 1/(1-x^4) dx. Nullstellen des Nenners: 1,-1,i,-i, also 1-x^4=(x-1)(x+1)(x^2+1) int 1/(1+x^4) dx. Nullstellen des Nenners: a+ai, a-ai, -a+ai,-a-ai mit a=1/2*sqrt(2). Also 1+x^4=(x^2+ax+1)(x^2-ax+1). Das letztere Beispiel ist erstaunlich kompliziert und soll Leibniz Schwierigkeiten bereitet haben.
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